Überfall und Plünderung der Kirchspiele Wessum und Wüllen vor 400 Jahren
Viele Monate schon waren die Truppen Christian von Braunschweigs und Ernst von Mansfelds über Westfalen gezogen. Schon Jahre zuvor konnte sich der „Tolle Christian“ die ahnungslosen und
unverteidigten Städte und Dörfer des Münsterlandes als lohnende Ziele seines Geltungsdrangs ausspähen. Als Fürstbistum war das Münsterland das Herrschaftsgebiet eines Fürstbischofs, der
gleichzeitig Kurfürst von Köln war und dessen Verwaltungsapparat seinen Untertanen für Friedenszeiten durchaus ausreichend Schutz gewähren konnte.
Was aber ab 1619, gerade im Spannungsgebiet zwischen den calvinistisch geprägten Niederlanden und dem katholischen Fürstbistum Münster auf die ländlich geprägte Bevölkerung zustürmte, war mit den
Land- und Bürgerwehren der Städte und Kirchspiele nicht zu bewältigen.
Der 23-jährige Christian von Braunschweig war gewählter protestantischer Bischof von Halberstadt und hatte sich mit jugendlichem Ungestüm zum Feldherrn der niederländisch-protestantischen Sache
erklärt. Die städtischen Magistrate und die Amtmänner des Landvolks hatten zu dieser Zeit zu ihrer Verteidigung nur die Wahl zwischen kostspieligen Einquartierungen von Verteidigungstruppen oder
ebenso ruinösen Kontributionszahlungen an anstürmende oder belagernde Söldnertruppen. Beides überforderte, allein durch die Dauer der schon mehrjährigen Auseinandersetzungen, die Mittel der
Beamten.
Nach der Belagerung und Plünderung der reichen ostwestfälischen Städte Paderborn und Soest hatten die großen Städte wie Münster und Recklinghausen nach massiven Drohungen umfängliche Zahlungen an
die teilweise ziellos umherziehenden Feldherren geleistet. Christian hatte, schon allein mit den erbeuteten Kirchenschätzen, seine Truppen vervielfachen können - und diese wollten nun ernährt
werden.
Trotz aller Versprechen, Abkommen und Bündnisse waren Christian von
Braunschweig und sein Mitstreiter Ernst von Mansfeld schon absehbar nicht in der Lage gewesen die entfesselte Streitmacht ausreichend zu disziplinieren. Erklärtes Ziel vieler Söldner, war die
Plünderung und Verheerung der katholischen Lande.
An Allerheiligen, dem 1. November 1622, kam der Mansfeldsche Truppenteil bei seinem Zug durch das nordwestliche Münsterland nach tagelangem Marsch in das Gebiet des Amtes Ahaus. Der Befehlshaber
des westlichen Teils des Münsterländer Stiftsheeres, dass zum Schutz gegen durchziehende Söldnertruppen entsandt war, Heinrich Friedrich Droste zu Vischering, hatte Wohnsitz innerhalb der
Einfriedungen der Stadt Ahaus genommen und war lediglich in der Lage die Stadt selbst gegen den plötzlichen Ansturm zu sichern.
So waren denn die umliegenden Kirchenspiele den 42 Reiter Kompanien schutzlos ausgeliefert. „Über die Maßen schlimm Volk“ hatte am frühen Abend Lager um Wessum und Wüllen genommen. Nach kurzer
Ruhe waren der Soldateska um Mitternacht die umliegenden Höfe und Leibzuchten ein zu verlockendes Ziel geworden.
Die unter dem Befehl eines Oberstleutnants Strauß stehenden Söldner fielen in vielfach bewährter Manier über die Menschen her. Ausgebildete Brandmeister ritten mit brennenden Fackeln zu den um
die Kirchburgen, und den außerhalb liegenden Höfen und hatten bereits sowohl in Wessum als auch in Wüllen jeweils 15 Höfe in Brand gesetzt, bis den flehenden Opfern gestattet wurde sich mit
Hingabe des verbliebenen Hab und Guts auszulösen. Aber selbst diese Abfindungen schützten die wehrlosen Landleute nicht vor weiterer Drangsalierung, da man sich am Versprechen gegenüber
andersgläubigen „Häretikern“ nicht gebunden sah.
Die Kirchen wurden geplündert. Was man nicht selbst verwerten konnte, wurde zerstört und vernichtet. Wer sich zu wehren versuchte, wurde misshandelt oder gar getötet. Die ausgeplünderte
Bevölkerung stand kurz vor dem Winter ohne Korn, Vieh und Obdach vor den Trümmern ihrer Existenz. Die Ahauser Besatzungsoffiziere konnten nur hilflos die Not der Menschen dokumentieren: „Das
Wehklagen der armen Leute möchte ein steinernes Herz bewegen, ….dass, wie erbärmlich mit den Leuten gehauset, nicht geschrieben werden kann.“
Was niemand wissen konnte, die bislang vierjährigen Auseinander-setzungen und Feldzüge würden später „30-jähriger Krieg“ genannt und sowohl katholische als auch protestantische Truppen würden die
deutschen Lande vollständig und manchmal wiederholt in Schutt und Asche legen, bis am Schluss im Frieden zu Münster 1648 die territorialen Verhältnisse wieder wie zuvor hergestellt sein würden.
Beispielloses Leid und fürchterliches Töten durch politisch entfesselte Gewalt, eine Mahnung an unsere Zeit?
Sinnloses Leid und nutzloses Töten durch politisch entfesselte Gewalt.
Eine Mahnung an unsere Zeit?
Quelle: Weskamp, Albert; Das Heer der Liga in Westfalen zur Abwehr des Grafen von Mansfeld
Andreas Kosmann für den Heimatverein Wessum
Heimatverein Wessum e. V.
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